Es gibt Reis, Baby! Unser Leben als Farmer.
oder
Wie wir uns Witze über das bevorstehende Essen nicht verkneifen konnten.
An der Grenze
So einfach der erste Schritt auf den Boden Kanadas war, desto schwerer hatten wir es beim zweiten Mal. Eigentlich dachten wir, dass es ja kein Problem sein sollte kurz nach Seattle auszureisen um nach ein paar Tagen wieder nach Vancouver einzureisen. Das Touristenvisum hatten wir ja schon. Aber Pustekuchen…es kommt wohl immer ganz stark auf den jeweiligen Grenzbeamten an und ob ihm gerade ein Furz quer sitzt. Haha.
Um von Seattle nach Vancouver Island zu kommen, haben wir uns für die kostengünstigste Variante entschieden. Mit dem Bus nach Port Angeles und von dort mit der Fähre über die Grenze nach Kanada. An der kanadischen Grenze erwartete uns dann ein überaus skeptischer Grenzbeamter. Neben den Standardfragen:
Wie lange bleibt ihr in Kanada?
Was macht ihr hier so lange?
Wie sieht eure genaue Reiseroute aus?
Welche Berufe übt ihr in Deutschland aus?
kam der Beamte dieses Mal bei der Frage ob wir in Kanada auf einer Farm arbeiten werden, die wir mit ja beantwortet haben, ins rotieren und bat uns in ein extra Zimmer mitzukommen. Dann erklärten wir ihm, dass wir wwoofen werden, was er augenscheinlich nicht kannte. Wwoofing gegen Kost und Logis ist in Kanada bis zu vier Wochen erlaubt. Ansonsten ist Farmarbeit natürlich nur erlaubt, wenn man ein gültiges Arbeitsvisum hat…welches übriens immer noch auf sich warten lässt!
Dann wollte er die genaue Anschrift, Telefonnummer und den Namen der Farm haben. Darüber hinaus wurden wir gerfragt, ob wir ein Rückflugticket hätten. Da wir dies verneinten, wollte er wissen wieviel Geld wir Beide auf unseren Konten hätten. Mit meiner Aussage “Genug!” war er leider nicht einverstanden. Haha. Nachdem wir ihm dann erzählt haben, dass wir auf das Work & Travel Visum warten, wurde er etwas entspannter und hat nach einer gefühlten Ewigkeit unsere elektronischen Anträge im System gefunden. Danach wurden wir in die Freiheit entlassen.
Wir fühlten uns schon ziemlich unwillkommen. Wie muss das erst für Flüchtlinge und andere Asylbewerber sein?!
Wwoofen auf Vancouver Island
Da wir in den letzten Monaten ein bisschen über unsere Verhältnisse bzw. unsere angepeilten Ausgaben hinaus gelebt haben, entschieden wir uns nochmal für 2 Wochen zu wwoofen und für Kost & Logis auf einer Farm zu arbeiten. In Australien hatte uns dies ja zuletzt richtig gut auf dem Weingut gefallen! Von vier angeschriebenen Farmern hatte ein Hof einen Platz für 14 Tage für uns. Die anderen angeschriebenen Bio-Höfe waren alle schon über den ganzen Sommer ausgebucht.
Die kleine Hinterhof-Farm von Jim und Jan besteht hauptsächlich aus ganz viel angebautem Gemüse, Äpfelbäumen und einigen Himbeer- und Blaubeersträuchern. Ausserdem halten sie sich 5 Schweine, 2 Lämmer und einige Hühner für die Eierproduktion und zur Schlachtung. Im Winter werden die Schweine und Lämmer dann geschlachtet und das Fleisch übers Jahr verteilt gegessen. So müssen sie fast kein Fleisch einkaufen.
Die Arbeit bei Jim und Jan bestand hauptsächlich aus Gartenarbeit, woraus sich für uns vor allem Unkraut jäten und einen Mix aus Pferdescheiße und Erde auf den Gemüsefeldern des Hofes zu verteilen, ergab. Neben ein paar anderen kleinen Aufgaben haben wir das tatsächlich 2 ganze Wochen gemacht. Ich sag euch: So hart habe ich mir die Gartenarbeit nicht vorgestellt. Eine Woche lang hatte jeder Teil meines Körpers Muskelkater, was auch daran liegen mag, dass der letzte Aufenthalt im Fitnessstudio schon fast ein halbes Jahr zurückliegt. Hehe.
Die Pines
Jim und Jan Pine leben seit 3 Jahren auf ihrem jetztigen Grundstück und haben die Farm mit einigen Feldern und den Gebäuden von ihren Vorgängern übernommen. Die beiden haben zusammen zwei Kinder, die beide Mitte 20 sind und normalerweise nicht mehr bei ihnen wohnen. Vorher hat die Familie in Victoria, der größten Stadt auf Vancouver Island, gewohnt.
Jim – Der Workaholic
Jim (64) ist von Beruf Lehrer mit einer alternativen, relativ lockeren Unterrichtsform. Sein Ziel ist es die Schüler zum Nachdenken anzuregen und den Dialog unter ihnen zu fördern. Er ist auch derjenige, der den Hof organisiert und die ganze Gartenarbeit macht, wenn mal keine Wwoofer im Haus sind. Seine Frau Jan rührt da keinen Finger. Leider war Jim die meiste Zeit über nicht da und wenn er um 16 Uhr nach Hause kam, hat er gleich weiter gearbeitet. Für ihn gab es immer etwas zu tun.
Über Jim kann man nichts Schlechtes sagen. Er war immer sehr nett, hat mit uns zu Abend gegessen und war ab und an durchaus interessiert – im Gegensatz zu seiner Frau Jan.
Jan – Wir nannten sie einfach nur „Die Frau“
Von Jan wissen wir nicht viel, da sie anscheinend keine Lust hatte sich mit uns zu beschäftigen. Für sie waren wir gefühlt nur “billige Arbeitskräfte“, die für ein paar Tage im Haus wohnen und dann auch schon bald wieder weg sind. Von ihr kam nur jeden Tag ein “How are you?”, danach so gut wie nichts mehr. Kein Interesse, keine Fragen. Sie hat in den ganzen 14 Tagen auch nur ein Mal mit uns zu Abend gegessen, obwohl Jim immer mit uns zusammen gegessen hat. Komische Frau.
So durfte Henni sich eines Abends sehr unwillkommen fühlen, als er von Jan aufgefordert wurde seinen Platz auf dem Sofa zu verlassen. Es war ihr “Spot”, auf dem sie sich nun hinlegen und mit ihrem Sohn einen Film gucken wollte. Insgesamt hat man sich in der Wohnung von den Beiden nur zur Essenszeit willkommen gefühlt, danach eher wie ein Eindringling. Ein Glück hatten wir unser eigenes, etwas chaotisches & dreckiges, Reich im Souterrain.
Aidan – Der Food-Truck fahrende Sohn
Aidan, der nette Sohn der Familie, ist Student mit dem Studienfach First Nations. Die First Nations sind die Ureinwohner Kanadas, auch Aboriginal People, First People oder Indians (Indianer) genannt. Dort lernt er eine der über 50 Sprachen der First Nations. Sehr interessant, wie ich fand. Vor seinem Studium hat er in Dänemark eine Ausbildung zum Koch gemacht und sich vor drei Jahren sein eigenes Business mit einem Food-Truck aufgebaut. In seinen Semesterferien fährt er mit dem Food-Truck auf diverse Märkte und verkauft jedes Mal andere Köstlichkeiten aus lokalen Zutaten. Oft kommen die Zutaten aus dem eigenen Garten & von den hauseigenen Tieren.
Seine Homepage: http://jumavictoria.com/
Buddy – Der blödeste Hund der Welt
Ich liebe ja eigentlich Hunde, aber dieser war einfach nur eine kleine, miese Ratte. Je niedlicher er gekuckt hat, desto fieser war er gerade drauf. Jan selbst ist der Meinung, dass es der dümmste Hund ist, den sie je kennengelernt hat. Jedes Mal wenn er raus oder rein wollte, stand er jaulend und mit den Hinterpfoten stampfend vor der Tür. In seiner Freizeit hat er gerne Taschentücher gegessen und böse geknurrt, wenn man ihm zu nah auf die Pelle gerückt ist. Wenn man ihn streicheln wollte, hat er versucht zu beißen. Lasst euch vom Foto nicht täuschen – Buddy ist nicht lieb!
Leider haben wir mal wieder keine Fotos von der Familie gemacht. Sorry! Nur vom bösen Hund.
Bagles, Haferschleim, Reis und Fleisch
Ich möchte ja wirklich nicht über das Essen bei den Piles meckern, denn zum Teil war es wirklich sehr, sehr lecker. Vor allem wenn wir die Überreste von Aidans Food-Truck Essen oder das von ihm zubereitete Mittagsessen gereicht bekamen. Allerdings war es nach einer Woche doch ein bisschen eintönig. Morgens gab es selbstgemachten Porridge (Haferschleim) mit Früchten und haufenweise Bagels, die Jim immer aus der Schulkantine mitgebracht hat. Die Bagels gab es dann auch zum Mittag als Beilage zum Ei und abends, wenn man noch hungrig war. Außerdem gab es zu fast jedem Abendessen Reis & in jedem Gericht Fleisch.
Nach einer Woche ist Moritz, witzigerweise auch ein Hamburger aus Altona, als dritter Wwoofer zu uns dazugestoßen. Er ist eigentlich Vegetarier. Der Running-Gag war es, dass sie Moritz öfter gefragt haben, ob er Fleisch isst und er es dann verneinte bzw. gesgat hat, dass er für Kanada eine Ausnahme macht. Trotz dessen war in jedem Gericht Fleisch enthalten. Einen Tag hat ihn Aidan sogar gebeten eine Tonne Fleisch zu waschen, woraufhin Moritz mit den Worten “I´m not looking forward to do this.” dankend ablehnte. Als er Henni dann fragte, ergab sich ein witziger Dialog.
Aidan: “Do you mind to touch meat?”
Henni: “Touching you?” (er verstand “me”)
Aidan: Irritierter Blick
Alle: Schallendes Gelächter
Das ganze Essen kam meisten übrigens von vorgekochten Gerichten, die sie in ihren ca. 15 Kühltruhen lagern. Kein Scheiß, ein Bio-Hof, der in keiner Weise auf den Stromverbrauch schaut.
Ausflüge in die Umgebung
Die Farm der Piles liegt 30 Minuten mit dem Bus von Victoria entfernt, ist also noch sehr stadtnah gelegen und die Vegetation drumherum erinnert auch eher an Deutschland als an Kanada. Trotzdem gibt es dort ein paar sehr schöne Fleckchen Erde, die einen Besuch wert sind.
Elk Lake / Beaver Lake
Der See befand sich ca. 10 Minten Gehweite von der Farm entfernt und hatte eine ideale Badetemperatur. Ich hätte auch gerne so einen See um die Ecke!
Victoria
Victoria ist die Hauptstadt der kandischen Provinz Britisch Columbia und liegt am Südzipfel von Vancouver Island.
Goldstream Park
Mit Moritz sind wir dann an unserem letzten & freien Tag auf dem Hof in den Goldstream Park gefahren, der in der Nähe von Victoria liegt. Da die Busverbindungen in Kanada ausserhalb der Städte miserabel sind und die meisten Leute mit ihrem eigenen Auto fahren, haben wir 2 Stunden zum Park benötigt. Mit dem Auto beträgt die Fahrt ca. 25 Minuten. Der Park war ganz nett, aber es gibt sicherlich noch schönere & idyllischere Nationalparks auf Vancouver Island. Er lag halt auch direkt an einem Highway.
Cordova Bay
Last but not least…der Strand Cordova Bay war 30 Minuten zu Fuß von den Pines entfernt. Auch nicht das Schlechteste.
Das war unsere dritte Wwoofing-Erfahrung. Im Vergleich zu den beiden in Australien würden wir Ihnen im Ganzen eine 3 geben. Es war ganz nett, aber auch leider nicht mehr.
Ja, und nun sind wir schon seit ein paar Tagen wieder in Vancouver. Henni fliegt morgen nach Los Angeles zu Jojo und Matze und ich mache für 4 Tage Vancouver und Whistler (ein Ski- und Mountainbikegebiet 2 Stunden von Vancouver entfernt) unsicher. Ihr habts erfasst, wir sind das erste Mal auf unserer Reise getrennt unterwegs…das wird aufregend! Beim nächsten Mal berichten wir davon.
Cheers
Steffi
Hey ihr beiden Farmer!
Auch ich verfolge – natürlich – nach wie vor mit großem Interesse euren Trip durch die Welt…. ist echt immer spannend, was bei euch so abgeht!
Refused in den USA live sehen zu können ist richtig cool! Konzerte dort sind ja irgendwie auch noch mal anders als in Deutschland (fand ich zumindest bei Bane und Comeback Kid in NYC).
Ich wünsche euch weiter viel Spaß!!
Danke Eddie, grüße an Stromi!
Henni, du hast dein primäres Urlaubsziel erreicht: du siehst nun aus wie ein Yeti. Wenn du so mit nacktem Oberkörper und der Schippe durch Hamburg laufen würdest, müsste man dich leider verhaften.
Aber vielleicht hast du dich ja für Los Angeles rasiert (Fotos?).
Eure Posts sind auch weiterhin Höhepunkte meines Arbeitsalltags, also weiter so!
Es freut mich, dass wir Dich zum Höhepunkt bringen. Der Bart ist noch ein wenig gewachsen, aber inzwischen wieder ab. Jetzt sehe ich aus wie Otto Waalkes.
henni, du bist ein sehr süßer blonder arbeiter! do you mind to touch my meat?
No, I don’t mind
Bei dem Anblick kann man ja regelrecht Angst kriegen. Ich wünsche euch in nächster Zeit gesteigerte Houndigkeit und weniger nervende Misttölen!
Vielen Dank, lieber Egon!